Paradedisziplin Zirkularität: Umbau der Mannheimer U-Halle von Hütten & Paläste

7. Oktober 2024

Foto: Lukac & Diehl, Hütten&Paläste

Zirkuläres Bauen ist hierzulande mit einigen Hürden verbunden. Dass es eigentlich ganz einfach laufen kann, zeigen Hütten & Paläste mit ihrer Transformation einer ehemaligen Militärlagerhalle in Mannheim. Wenngleich die Bauaufgabe hier eine dankbare war, ist das Ergebnis vorbildlich.  
 
Vergangenes Jahr fand die Bundesgartenschau (BUGA) in Mannheim statt. Im Spinelli-Park, einem der zwei Areale, die die Stadt auserkoren hatte, entstand dabei ein Paradebeispiel des zirkulären Bauens. Die sogenannte U-Halle ist das Herzstück eines einstigen Militärgeländes im Nordosten der Stadt, auf dem sich vor der BUGA selbst die Mannheimer*innen nicht so gut auskannten. Denn noch bis 2014 waren hier Einheiten der US-amerikanischen Streitkräfte stationiert, die die Kaserne seit 1948 nutzten. Zuvor waltete dort von 1938 bis 1945 die NS-Wehrmacht. 
 
Knapp 80 Jahre Militärvergangenheit hatten städtebauliche Folgen, die mithilfe der BUGA nun teilweise revidiert werden sollen. Der 82 Hektar umfassende Spinelli-Park wird Teil eines Naturraums, der sich bis weit in die Stadt zieht. Rund 60 Hektar Fläche wurden dafür entsiegelt und begrünt.  

Mut zum Pragmatischen 
 
Mit der Transformation der 350 Meter langen U-Halle, die dem Militär als Lagerhalle diente, beauftragte die städtische Gesellschaft der Bundesgartenschau BUGA 2023 gGmbH das Berliner Büro Hütten & Paläste nach dem Gewinn des entsprechenden Wettbewerbs  2020. Angesichts der durchaus gewichtigen Rolle des Geländes für die Stadtentwicklung und das Image Mannheims lobte Architekt Frank Schönert, dass die Stadt den Mut hatte, hier ein eigentlich banales Gebäude als programmatischen Mittelpunkt der BUGA ausgewählt zu haben.  
 
Das daraus hervorgegangene Projekt ist jedoch keineswegs banal. Vielmehr vereint es kreislaufgerechte Bauprinzipien mit abwechslungsreich gestalteten Räumen – gerade dank eines wohltuend pragmatischen Ansatzes. Dahinter steht die Auffassung, Architekturen im stetigen Prozess denn als fertiges Produkt zu begreifen. 
 
Inszenierung durch Fragmentierung 
 
Gestalterisch sind es eigentlich nur wenige Maßnahmen, die das Berliner Büro hier anwendete. Zunächst wurde die äußerlich monotone Großform fragmentiert, indem man sie an mehreren Stellen auf ihre Tragstruktur reduzierte. Auf diese Weise entstand nicht nur eine Frischluftschneise, die zuvor vom Gebäude blockiert worden war. Die Architekt*innen arbeiteten so auch die verborgenen Qualitäten der seriellen Struktur heraus.  
 
Vor allem wird die räumliche Kraft des Tragwerks sichtbar. Der erste Abschnitt der U-Halle wurde während der NS-Zeit gebaut, deutlich zu erkennen an den völlig überdimensionierten Betonrahmen. Die später hinzugekommene filigrane Stahlkonstruktion stammt aus der Nutzungsperiode durch das amerikanische Militär. 
 

Foto: Lukac & Diehl, Hütten&Paläste

Zirkuläre Ergänzungen 
 
Wo sich vorher ausschließlich geschlossene Räume befanden, wechseln sich heute Bereiche ab, die zwischen innen und außen changieren. Für die Anpassungen der nun außenliegenden Zwischenwände entwarfen Hütten & Paläste einen ganzen Typenkatalog. Mal wurden die mit Backstein ausgefachten Brandwände schachbrettartig geöffnet, mal mit den vom Dach abgebauten Sandwichpaneelen verkleidet. An anderer Stelle hingegen konzipierten die Architekt*innen neue Wände aus geliehenen Baugerüsten mit einer Bekleidung aus recycelten Polystegplatten.  
 
Die allermeisten Umbaumaßnahmen sind kreislaufgerecht, das heißt die Bauteile sind sortenrein trenn- und rezyklierbar, bereits recycelt oder im Originalzustand wiederverwendet. Die Herkunft der Materialien liegt maximal 140 Kilometer entfernt, wobei das nur für die Holzbauteile der größtenteils gesteckten Pfosten-Riegel-Konstruktionen gilt. Vieles hat nicht mehr als fünf Kilometer Wegstrecke hinter sich, etwa die Polycarbonatplatten aus Gewächshäusern im Mannheimer Luisenpark. Andere Bauteile – wie die Dachpaneele, abgebrochenes Mauerwerk oder Glasbausteine – haben sogar nur ihre Bestimmung innerhalb des Gebäudes gewechselt.  
 
Die pragmatische Herangehensweise ist an vielen Stellen auch eine, die jeder Eitelkeit entbehrt. Etwa, als sich die Architekt*innen dazu entschieden, den leberwurstfarbenen Putz – wie ihn Schönert treffend beschreibt – einfach zu erhalten und auszubessern. Auch für das anfallende Regenwasser auf den zuvor überdachten Böden fand man eine einfache Lösung. Gemeinsam mit den Landschaftsarchitekt*innen von Ramboll Studio Dreiseitl (Überlingen) ermittelte man die gegebenen Abflussstellen. Anschließend wurden dort große Quadrate ausgeschnitten, in denen nun Blumenbeete oder Kiesflächen für die Versickerung angelegt sind. 
 
 
Für die Gestaltung des Innenhofs samt Wasserbecken waren RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchiteken (Bonn/Köln) verantwortlich, die auch den Gesamtplan für das BUGA-Gelände verantworten. Besucher*innen können entweder einem Rundgang im Hof oder der parcoursartigen Durchwegung im Gebäude folgen.  
 
Anpassungsfähig und ressourcenschonend 
 
Bei aller Vorbildlichkeit für das zirkuläre Bauen muss erwähnt werden, dass es sich um eine äußerst dankbare Bauaufgabe handelte. Weder an Brandschutz, Dämmung oder Abdichtung noch an die Tragfähigkeit knüpften sich besondere Anforderungen. Dennoch konnten Hütten & Paläste hier im großen Maßstab umsetzen, was sie zuvor schon in kleineren Projekten zeigten: ressourcenschonende und anpassungsfähige Umbauten, die über den gesamten Lebenszyklus gedacht sind. Anfang des Jahres wurde die U-Halle mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2023  ausgezeichnet.