Kiefernzapfen als Inspiration

4. April 2025

Foto: ICD/IntCDC, Universität Stuttgart

Ein innovatives, energieautarkes Fassadensystem, inspiriert von den Bewegungsmechanismen der Kiefernzapfen, wurde von Forschenden der Universitäten Stuttgart und Freiburg entwickelt. Es reagiert selbstständig auf Wetterveränderungen und wurde in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Wetteradaptive Fassadensysteme benötigen üblicherweise komplexe technische Mechanismen. Das Forschungsteam untersuchte, wie Materialien durch computerbasierte Planung und additive Fertigung reaktionsfähig gemacht werden können. Das Ergebnis ist ein Verschattungssystem, das sich abhängig von den Wetterbedingungen selbstständig öffnet und schließt – ohne Betriebsenergie oder mechatronische Elemente. Die Biomaterialstruktur selbst übernimmt die Funktion der Maschine.

Biobasierte hygromorphe Materialien und bioinspirierter 4D-Druck

Das Fassadensystem „Solar Gate“ ist das erste adaptive Verschattungssystem, das ohne elektrische Antriebsenergie auskommt. Die Forschenden orientierten sich an den Bewegungsmechanismen von Kiefernzapfen, die sich je nach Luftfeuchtigkeit und Temperatur öffnen und schließen.

Durch den Einsatz von biobasierten Zellulosefasern und 4D-Druck gelang es, die anisotrope (richtungsabhängige) Struktur von Pflanzengeweben mit Standard-3D-Druckern nachzubilden. Zellulose, ein reichlich vorhandenes und erneuerbares Material, quillt bei Feuchtigkeit und schrumpft bei Trockenheit. Diese hygromorphen Eigenschaften wurden gezielt genutzt, um eine zweischichtige Struktur zu entwickeln, die sich durch äußere Einflüsse selbstständig verändert.

Die bioinspirierten, gedruckten Elemente rollen sich bei hoher Luftfeuchtigkeit ein und öffnen sich, während sie sich bei trockenen Bedingungen abflachen und schließen. Dies überträgt nicht nur die Funktionalität biologischer Vorbilder in ein architektonisches System, sondern auch deren ästhetische Anmutung. Dies kann als „Königsweg der Bionik“ betrachtet werden, da alles, was uns am biologischen Ideengeber fasziniert, auch im bioinspirierten architektonischen Produkt realisiert wurde“, sagt Professor Thomas Speck, Leiter der Plant Biomechanics Group Freiburg und Sprecher des Exzellenzclusters Living.

Foto: ICD/IntCDC, Universität Stuttgart

Architektonische Integration von selbstformenden Elementen

Die Funktionalität und Haltbarkeit des „Solar Gate“ wurde über ein Jahr lang unter realen Wetterbedingungen getestet. Anschließend wurde es an der livMatS Biomimetic Shell angebracht, einem Baudemonstrator des Exzellenzclusters IntCDC und des Exzellenzclusters livMatS, der als Forschungsgebäude der Universität Freiburg dient. Das System unterstützt die Klimaregulierung des Gebäudes: Im Winter öffnen sich die Elemente, um Sonnenlicht hereinzulassen und den Innenraum zu erwärmen, im Sommer schließen sie sich zur Reduktion der Sonneneinstrahlung – und das ganz ohne externe Energiezufuhr.

Nachhaltige Alternative für energieeffiziente Gebäude

Das „Solar Gate“ stellt somit eine energieautarke und ressourceneffiziente Alternative zu herkömmlichen Verschattungssystemen dar. Da für den Komfort in Innenräumen typischerweise viel Energie benötigt wird und Gebäude einen erheblichen Anteil an den weltweiten Kohlenstoffemissionen haben, sind Lösungen zur Verringerung des Energiebedarfs für Heizung, Kühlung und Lüftung von großer Bedeutung. Es unterstreicht das Potenzial zugänglicher und kostengünstiger Technologien wie der additiven Fertigung und zeigt auf, wie Zellulose als reichlich vorhandenes erneuerbares Material zu nachhaltigen architektonischen Lösungen beitragen kann.

Beitrag teilen: