Messebilanz: Nachhaltigkeit als Leitthema auf der BAU 2023
25. April 2023
Von Andrea Hackenberg
Mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsthemen ging die BAU in München jetzt zu Ende. Zahlreiche Hersteller präsentierten ihre Lösungen zur Klimaneutralität. Daneben luden Verbände, Vereine und Institute zu Vorträgen und Diskussionen ein. Auch am Messestand von Heinze und BauNetz informierten sich die Besucher über nachhaltiges Bauen und nutzten die Gelegenheit zu Austausch und Vernetzung.
Environmental Product Declarations, unsinnige Gebäudeabrisse und Papier als alternativer Baustoff – das Programm am BAU-Messestand von Heinze und BauNetz war gespickt mit Inspiration. Wer als Besucher vorbeischaute, konnte zum Zuhören auf zweckentfremdeten, aber preisgekrönten Sitzmöbeln Platz nehmen: Die Holzelemente von Triqbriq, Teil einer zirkulären Klinkerfassaden-Kooperation der Hagemeister GmbH & Co. KG , der TRIQBRIQ AG, der Drystack B.V. und der Concular GmbH, wurden anlässlich der BAU mit dem Innovationspreis der Architektur-Fachzeitschrift AIT und AIT-Dialog ausgezeichnet.
Während der Messe gaben insgesamt 13 angesagte Architekturbüros im Rahmen der Reihe HeinzeINSIGHTS Einblicke in ihre Arbeit und stellten sich anschließend den Fragen des Architekturfunk-Teams zum Thema Nachhaltigkeit. „Unter nachhaltig verstehe ich, dass ein Bauwerk ganzheitlich gedacht wird“, sagte Titus Bernhard von Titus Bernhard Architekten aus Augsburg. Ein Gebäude müsse ökologische Qualitäten haben, zudem gelte es, im Einzelfall zusammen mit den Bauherren zu prüfen, was machbar ist und jeweils ins Budget passt. „Dabei legen wir großen Wert darauf, dass ein Gebäude auch einen gewissen ästhetischen und atmosphärischen Anspruch erfüllt und lebenswert ist“, so Bernhard. Die höheren Entstehungskosten bei nachhaltig errichteten Gebäuden würden durch geringere Lebenszykluskosten auf Sicht kompensiert.
Matthias Haber von Hild und K Architekten aus München betonte, dass Nachhaltigkeit in der Architektur sehr vielschichtig sei. „Es hat natürlich etwas mit Gestaltung zu tun, mit Qualitäten, Grundrissen, Nutzbarkeiten und Identitäten“, sagte er. „Nachhaltigkeit hat aber auch etwas mit Bauprodukten und Baumaterialien zu tun. Und da gibt es viele Themen, die man aufarbeiten sollte und wo die Industrie unterstützen muss.“ So regte er an, dass Hersteller ihren bereits verbauten, in die Jahre gekommenen Produkten bei Wiederverwendung in Umbau oder Sanierung wieder eine Garantie geben, damit Planer sie rechts- und gewährleistungssicher einsetzen könnten. „Das ist entgegen einer Wachstumsindustrie gedacht“, so Haber. „Aber vielleicht muss man die Wachstumsindustrie nicht in der Produktion, sondern in der Dienstleistung und im Handwerk sehen, was ja wieder ein Rückfluss wäre.“ Hersteller stünden jetzt vor der Herausforderung, sich umzuorientieren, logistische Entscheidungen neu zu treffen und den Markt nicht mehr nur rein in der Produktion zu sehen. „Unternehmen, die langfristig funktionieren wollen, müssen sich damit beschäftigen, denn es wird sich etwas ändern“, so Haber.
Diesen Gedanken griff auch eine Gesprächsrunde zum Thema „Bauen 2030 – Wie lässt sich die tatsächliche Qualität von Bauprodukten hinter Marketing-Claims erkennen?“ am Stand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) auf. „Das Falsche immer effizienter zu machen, macht es insgesamt nicht richtiger“, sagte Burkhard Remmers, zuständig für Internationale Kommunikation beim Möbelhersteller Wilkhahn Wilkening + Hahne. Man müsse weniger, aber besser produzieren und das Wachstums-Dogma dabei ausklammern. Der Umbau als Sonderfall des Neubaus müsse die Regel werden.
Bei Modernisierungsvorhaben fehle „ein Wettbewerb für Transformation“, kritisierte auch Matthias Rudolph, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Entwerfen an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart, bei der DGNB-Expertenrunde über „Zirkuläres Bauen“. „Derzeit dominiert der Wettbewerb für Neubauten“, stellte er klar. Der erste Schritt beim zirkulären Bauen sei die Transformation und damit die Frage: „Was kann ich von der Architektur und den vorhandenen Baustoffen wiederverwerten, wie lässt sich der Bestand transformieren?“
Bauherren zeigten sich zunehmend aufgeschlossener für ressourcenschonende Bauweisen, fügte Jasna Moritz, Partnerin bei kadawittfeldarchitektur aus Aachen, in der selben Runde hinzu. „Das Thema Klimaschutz ist komplett angekommen“, sagte sie. „Die Frage ist jetzt, wie wir Planer intelligente Lösungen schaffen können.“ Wichtig seien in diesem Zusammenhang u.a. Kenntnisse in der Ökobilanzierung.
Viele Hersteller wurden während der Messe gezielt auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte angesprochen. „Auf der BAU verzeichneten wir besucherseitig ein sehr großes Interesse in Bezug auf Nachhaltigkeitslösungen im Stahlbau“, sagt Gregor Machura, Geschäftsführer des Spitzenverbandes bauforumstahl aus Düsseldorf. „Besonders das CO2-Neutralitätskonzept sowie Integration und Lösungsansätze in der Digitalisierung wurden von unseren Kunden verstärkt nachgefragt“, heißt es auch von Michael Hensel, Senior Vice President der dormakaba GmbH aus Ennepetal. „Im Mittelpunkt der Gespräche standen in erster Linie Lösungsansätze in der Nachhaltigkeit“, ergänzt Julius von Resch, Geschäftsführer der Gretsch-Unitas GmbH mit Sitz in Ditzingen.
Warnstreiks an deutschen Flughäfen und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr bremsten die erste BAU in Präsenz nach der Pandemie aus: Die Münchner Weltleitmesse für Architektur, Materialien, Systeme zählte mit 190.000 Besuchern fast ein Viertel weniger als 2019, als noch 250.000 Menschen auf das Messegelände kamen. Bis zur Hälfte der Messelaufzeit vom 17. bis 22. April hätten die Besucherzahlen allerdings an das Niveau von 2019 herangereicht, teilt die Messe München als Veranstalter mit. Dieser positive Trend sei durch die Streiks gestoppt worden. Trotzdem vermeldet die Messe München ein insgesamt „erfolgreiches Resultat“. Auf dem Messegelände präsentierten 2.260 Aussteller (2019: 2.250) aus 49 Ländern (2019: 45 Länder) Neuheiten und Trends.
An der Spitze des internationalen Besucherrankings der BAU stehen nach Angaben des Veranstalters Österreich, Italien und die Schweiz. Bedingt durch starke Zuwächse belegen Polen und die Türkei Platz 4 und 5. Insgesamt liege der internationale Anteil bei fast 80.000 Besuchern, heißt es. Das entspreche 40 % der Gesamtbesucherzahl. Prozentual liege die Internationalität damit über dem bisherigen Rekordergebnis aus dem Jahr 2019 (37%). Mit 1.600 Personen zählt China zu den Top 10 Besucherländern der BAU 2023. Die nächste BAU findet vom 13. bis zum 18. Januar 2025 in München statt.
Beitrag teilen:
Nächster Beitrag: BAU 2023: Architects for Future spielt Strategien zur Bauwende durch