Abwasser – die unterschätze Energiequelle
29. August 2024
Als treibhausgasneutrale Energiequelle besitzt Abwasser großes Potenzial bei der Wärmewende. Ein Kölner Wohnquartier macht vor, wie sich Abwasserwärme umweltfreundlich nutzen lässt. Zudem erläutert eine neue, kostenfreie Broschüre, was dabei technisch und rechtlich beachtet werden muss.
Bei der Planung des Wohnquartiers LÜCK in Köln-Ehrenfeld wurde dieser Ansatz bereits umgesetzt. Rund die Hälfte der 216 Wohneinheiten ist bereits fertiggestellt, und künftig soll hier städtisches Abwasser als Wärmequelle genutzt werden. Eine zentrale Wärmepumpe bezieht ihre Energie aus dem Abwasser unter der Äußeren Kanalstraße und wird mit Solarstrom von Photovoltaikanlagen betrieben. Das Quartier wurde von der wvm Gruppe und der naturstrom AG entwickelt.
Mit dem Bau des Wohnquartiers an der Subbelrather Straße hat die wvm Gruppe bereits 2023 begonnen. Auf einem brachliegenden Fabrikgelände entstehen derzeit vier Mehrparteienhäuser für Wohneinheiten und eine Großtagespflege. Neben Abwasserwärme nutzt LÜCK auch Solarstrom direkt vom eigenen Dach. Hierfür werden Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 99 Kilowatt peak installiert.
Pufferspeicher speist lokales Wärmenetz
„Die Wärmepumpe in der Energiezentrale nutzt den lokal erzeugten Solarstrom sowie echten Ökostrom aus dem Netz, um das Heizwasser auf Temperatur zu bringen und einen 20 Kubikmeter großen Pufferspeicher zu befüllen“, erläutert Dr. Sarah Debor, Geschäftsfeldleiterin Urbanes Wohnen und Gewerbe bei der naturstrom AG, das Energiekonzept. „Dieser speist das quartierseigene Wärmenetz. Bei Spitzenlast oder besonders viel lokal erzeugter Solarenergie wird eine Power-to-Heat-Anlage zugeschaltet.“
Die Trinkwasser-Erhitzung übernehmen dezentrale Wohnungsstationen in den einzelnen Wohneinheiten. So können die Vorlauftemperaturen für die Bereitstellung der Raumwärme niedrig und besonders effizient gehalten werden.
Abwasserwärme – wichtiger Baustein der urbanen Energiewende
Die Hauptenergiequelle liegt nur wenige Meter außerhalb des Quartiers – treffenderweise unter der Äußeren Kanalstraße. Auf einer Länge von rund 120 Metern entzieht ein Wärmetauscher dem vorbeirauschenden Abwasser Wärmeenergie. „Abwasser als Energiequelle bringt zwei zentrale Vorteile mit sich“, erklärt Stephan von Bothmer, Geschäftsführer von UHRIG Energie, welche die Wärmetauscher-Technik im Projekt stellen. „Zum Ersten ist es gerade im Winter mit mindestens zehn bis zwölf Grad eine vergleichsweise energiereiche und verlässliche Wärmequelle. Das ermöglicht ein besonders effizientes Arbeiten der angeschlossenen Wärmepumpen. Zum Zweiten steht diese Energie passend zum Wärmebedarf zur Verfügung: Gerade im urbanen Raum, wo viel Wärme benötigt wird, fällt besonders viel Abwasserwärme an – häufig ein perfektes lokales Match!“
Abwasserwärme nutzen – diese Voraussetzungen müssen gegeben sein
Je nach Abwasserinfrastruktur und Gebäudebestand kann Abwasserwärme regional unterschiedlich eingesetzt werden. Besonders in Neubaugebieten oder bei der Wärmeversorgung öffentlicher Gebäude wie Schwimmbäder und Rathäuser bietet sie großes Potenzial. Die Nutzung von Abwasserwärme unterliegt verschiedenen rechtlichen Anforderungen, darunter die kommunale Wärmeplanung, das Wärmeplanungsgesetz und erforderliche Genehmigungen. Zudem müssen die rechtliche Zulässigkeit und die Verfügungsgewalt über Abwärme und Abwasser berücksichtigt werden. Technisch gesehen erfordert die Nutzung von Abwasserwärme die Installation von Wärmepumpen und Wärmeübertragern, die in Gebäuden, im öffentlichen Kanalnetz oder am Auslauf von Kläranlagen installiert werden können. Die Effizienz dieser Anlagen ist stark von den spezifischen Standortbedingungen abhängig. Wie das Ganze rechtlich und technisch umgesetzt werden kann, fasst eine neue, kostenfreie Broschüre der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zusammen.
Abwasserwärme – für die Nutzung braucht es starke Partner
Bei der Umsetzung des innovativen Energiekonzepts kooperieren die Projektpartner eng mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, in deren Kanäle die Wärmetauscher eingebracht werden. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir hier mit unserem Plan auf offene Ohren gestoßen sind“, freut sich Sarah Debor von naturstrom. „Obwohl die Potenziale der Abwasserwärmegewinnung unbestritten sind, scheuen anderswo manche Stadtentwässerungsbetriebe bislang davor zurück. Wir freuen uns, mit LÜCK ein Vorzeigeprojekt vorstellen zu können, das zeigt, was möglich ist. Die Potenziale im urbanen Raum sind derart groß, dass wir mittlerweile standardmäßig bei jedem Projekt eine Umsetzung prüfen.“
Über die naturstrom AG
naturstrom ist mit über 300.000 bundesweit belieferten Haushalten, Unternehmen und Institutionen Deutschlands größter unabhängiger Ökostromanbieter. Seit der Gründung 1998 ist naturstrom in Düsseldorf zuhause und entwickelt bundesweit dezentrale, sektorengekoppelte Energielösungen für Gebäude und Quartiere um. Das Portfolio reicht von Mieterstrom-Angeboten bis hin zu ganzheitlichen Energiekonzepten für ganze Wohnviertel.
Über wvm Gruppe
Seit über 30 Jahren ist die wvm Gruppe ein Fundament der Beständigkeit und Innovation in der Immobilienbranche. Mit rund 6.000 realisierten Immobilieneinheiten, die von Dachaufstockungen über Reihenhäuser bis hin zu großen Wohnquartieren mit Kindertagesstätten und sozial geförderten Wohnungen reichen, setzen wir immer wieder neue Maßstäbe. Unsere Projekte in Köln und Berlin spiegeln unser Engagement für hochwertige, nachhaltige und lebenswerte Wohnräume wider. Jedes Projekt ist ein Eckpfeiler unseres Erfolgs und symbolisiert unsere Vision, stabile und zukunftsorientierte Lebensräume zu schaffen.
Über UHRIG Energie GmbH
Die UHRIG Energie GmbH hat europaweit bereits 126 Projekte zur Nutzung von Abwasserwärme umgesetzt. Ziel ist, mit Abwasserenergie den Wärmemarkt zu revolutionieren und die Wärmewende zu beschleunigen. Noch ist Energie aus Abwasser relativ unbekannt. UHRIG hat sich zur Aufgabe gemacht, dies zu ändern und ist weltweit in diesem Bereich tätig.
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