Forschung: Die anpassungsfähige Architektur des Peter Grund

16. August 2024

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Peter Grund als Oberbaudirektor von Darmstadt den Wiederaufbau und die Neugestaltung der Innenstadt. Foto: Architekturmuseum TU München, Nachlass Peter Grund

Der deutsche Architekt Peter Grund (1892-1966) war in drei politischen Systemen erfolgreich: in der Weimarer Republik, in der NS-Zeit und beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Was sagt das über seine Person und seine Architektur aus? Damit haben sich Forschende der Fachhochschule Dortmund, der TU Dortmund und der Philipps-Universität Marburg befasst. Die Basis ihrer Arbeit ist der Nachlass des Architekten, der teils bereits auf der Müllkippe lag.

Geboren in Pfungstadt bei Darmstadt, war Peter Grund zwischen 1923 und 1933 in Dortmund tätig. Zusammen mit Karl Pinno plante und führte er unter anderem den Bau der Dortmunder Nicolaikirche (1929/30) aus – als erste deutsche Sichtbetonkirche. Auch der Entwurf der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund (1928) stammt von ihm.

Die Dortmunder Nicolaikirche zählt zu den herausragenden Bauwerken, die Peter Grund geplant hat. Sie war deutschlandweit die erste Sichtbetonkirche und wurde 1929/30 gebaut. Das Bild zeigt sie unmittelbar nach der Fertigstellung. Foto: Stadtarchiv Darmstadt, Nachlass Peter Grund

In der Zeit des Nationalsozialismus machte Peter Grund als Direktor der staatlichen Kunstakademie Karriere in Düsseldorf, plante von dort Rathäuser und Aufmarschplätze und verantworte als künstlerischer Leiter die Ausstellung „Schaffendes Volk“, eine der größten Propaganda-Schau der Nazis. Zwar gilt Peter Grund in der Wissenschaft nicht als einer der ganz großen Namen unter den Architekten. Seine zahlreichen Projekte in Dortmund, Düsseldorf und Darmstadt sind jedoch bis heute im Stadtbild sichtbar und zeugen von seinem Erfolg.

„Seine Biografie erlaubt uns Einblicke, wie Architekten das System mitgetragen und sich auch schnell angepasst haben“, sagt Stephan Gudewer. Er ist Absolvent der FH Dortmund, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektteam und ist inzwischen Lehrbeauftragter am Fachbereich Architektur. Prof. Dr. Renate Kastorff-Viehmann leitete das Projekt an der Dortmunder Fachhochschule.

Die Angepasstheit Grunds zeige sich auch anhand seiner Rolle in der NS-Zeit und in seinem Wirken in Darmstadt. Dort übernahm er 1947 – nach einer schnellen Entnazifizierung – das Amt des Oberbaudirektors und war für den Wiederaufbau und die Neugestaltung des Stadtzentrums verantwortlich war. „Es stellen sich daher auch Fragen nach den Lehren, die wir für die Gegenwart draus ziehen können. Und ebenso, wie wir mit dem Erbe Peter Grunds umgehen“, so Stephan Gudewer. Die Forschungsarbeit soll dazu einen Beitrag leisten.

Dafür wurde der umfangreiche Nachlass von Peter Grund zusammengetragen und digitalisiert. Einen Teil davon hatte eine Studentin der FH Dortmund 2006 bei einer Enkelin des Architekten aufgespürt. Ein anderer Teil war aufgrund von Erbstreitigkeiten auf einer Darmstädter Müllkippe gelandet und konnte von dort gerettet werden. Insgesamt wurden etwa 8.000 städtebauliche und architektonische Pläne, über 500 Fotos und hunderte weitere Notizen und Briefe ausgewertet. Die Originale liegen heute im m Baukunstarchiv NRW, im Stadtarchiv Darmstadt, und am Architekturmuseum der Technischen Universität München.

Die Wissenschaftler:innen haben ein bis dato unveröffentlichtes Buch Peter Grunds rekonstruiert und kürzlich unter dem Titel „Der Maßstab im Städtebau“ als Teil ihrer Forschungsarbeit veröffentlicht. Bevor ein Katalog seines Werkes erscheint, wird noch in diesem Jahr ein Essay-Band herausgegeben. „Dieser ist ein Kernelement des von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderten Projektes und befasst sich neben der Architektur auch kritisch mit Leben und Karriere von Peter Grund“, so Stephan Gudewer.

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