Upcycling: Von der Bandrasterdecke zum Kühldeckensegel

27. August 2024

Center am Potsdamer Platz. Foto: EUGENIU FRIMU von frimufilms via Canva Pro.

Deponie oder Umnutzung: Was passiert im Sanierungsfall mit gut erhaltenen Deckensystemen? Diese Frage stellte sich bei den Arbeiten am „Center am Potsdamer Platz“ in Berlin. Für das ehemalige Sony Center aus dem Jahr 2000 war die Lindner Group seinerzeit mit einem Innenausbaupaket beauftragt worden. In einer Case Study ermittelte das Unternehmen jetzt, wie die damals verbauten Bandrasterdecken umweltfreundlich nachgenutzt werden könnten.

Mit der Eröffnung im Jahr 2000 galt das von Helmut Jahn entworfene, ehemalige Sony Center mit seinem unverwechselbaren „Regenschirm“-Dach lange als architektonisches Highlight Berlins.  Der achtteilige Gebäudekomplex mit der auffälligen Glas-Membran-Dachkonstruktion überraschte damals nicht nur mit dem offenen Forum in der Mitte, sondern auch sonst mit neuen geometrischen Ausführungen, mit konischen Wänden, offenen Raumstrukturen und einer Innenfassade aus Glas mit bis zu 60 Metern Höhe und 20 Metern Breite. Die komplexen Gebäudestrukturen stellten alle Baubeteiligten teils vor große, konstruktive Herausforderungen. Auch im Innenausbau bedurfte es einiges an Sonderlösungen und räumlichen Anpassungen. Die Lindner Group war mit einem umfangreichen Innenausbaupaket beauftragt, u. a. mit Decken- und Bodensystemen sowie Trockenbau und Türen.

Nach mehreren Eigentümerwechseln stand das Sony Center zuletzt in weiten Teilen leer. Doch mit Verkauf des Gebäudekomplexes 2022 soll das gesamte Areal, bestehend aus acht Einzelgebäuden und 112.000 m² Mietfläche, mit neuem Leben erfüllt werden. Bis 2025 entsteht als „Center am Potsdamer Platz“ ein hochmoderner Office Campus mit viel Innen- und Außenbegrünung und einem umfangreichen Gastro-Bereich.

Verschiedene Szenarien für voll funktionsfähige Komponenten der Lindner-Deckensysteme

Bei der Sanierung der Deckensysteme stellte sich die Frage: einfach wegwerfen oder eine neue Nutzung finden? Denn die Bandrasterdecke war zum größten Teil noch funktionsfähig, die technische Lebensdauer beträgt grundsätzlich mehr als 50 Jahre ohne Verlust von technischen Eigenschaften. Auch alle damals verwendeten Inhaltsstoffe und Materialien sind bekannt und unbedenklich, die eingesetzten Materialien und Rohstoffe sind von höchster Qualität. Fast alle Komponenten der Deckensysteme können sortenrein getrennt werden bzw. sind zerstörungsfrei rückbaubar. Beste Voraussetzung für eine Wieder- bzw. Weiterverwendung als ReUsed-Produkt. Hierfür spielte Lindner verschiedene Szenarien, verschiedene Wege hin zur Kreislaufführung der gebrauchten Produkte durch:

Lindner, de Fleet Office. Foto: Lindner Group

Lindner ReUsed-Konzept: Von der 20 Jahre alten Bandrasterdecke zum neuen, energieeffizienten Deckensegel

 

Erstes Szenario: Wiederwendung

Rückbau und Wiederverwendung ohne Aufbereitungsschritte

  • Ausbau
  • Begutachtung
  • Koordination
  • Neumontage

Vorteile:

  • Kosteneinsparung
  • CO2-Ersparnis ca. 90 % im Vergleich zum Neuprodukt inkl. Logistik und Montage

Zweites Szenario: Aufbereitung

Rückbau und Wiederverwendung inkl. Aufbereitung im Lindner Werk in Arnstorf

  • Ausbau
  • Begutachtung
  • stoffliche Verwertung Ausschuss
  • Neubeschichten
  • Koordination
  • Neumontage

Vorteile:

  • Keine Mehr- oder Minderkosten (im Vgl. zur Neuproduktion)
  • CO₂-Ersparnis ca. 75 %

Drittes Szenario: Verwertung

Die einzelnen Bestandteile des Produkts werden separiert und als Material erneut im Herstellungsprozess verwendet, z. B.:

  • aus einer flächigen Metalldecke wird ein Deckensegel
  • verschiedene Formen möglich: rechteckig oder auch trapezförmig
  • Deckensegel können mit Heiz-/Kühltechnik kombiniert bzw. nachgerüstet werden

Vorgehensweise und Herausforderungen bei der Verwertung von Bandrasterdecken als ReUsed-Produkt
• Bestandsaufnahme und Neuplanung: Konzept für sinnvolle Weiternutzung, neuen Einsatz, neue Geometrien
• einheitliche Farbgebung: Deckenelemente sollten pro Raum demontiert und pro Raum in einem Deckensegel eingesetzt werden

  • Bestandsaufnahme und Neuplanung: Konzept für sinnvolle Weiternutzung, neuen Einsatz, neue Geometrien
  • einheitliche Farbgebung: Deckenelemente sollten pro Raum demontiert und pro Raum in einem Deckensegel eingesetzt werden
  • Update Heiz-/Kühldeckensystem:
    • frühere Leistungskennzahlen können nicht übernommen werden, Nachweise durch entsprechende Leistungsmessung
    • veraltetes Kunststoff-Schlauchsystem wird durch neues Edelstahl-umflochtenes System ersetzt
  • Aufbereitung der Deckenelemente:
    • vor Ort reinigen
    • alternativ komplett neue Beschichtung
  • Leuchten:
    • Tausch der Lichttechnik von z. B. T5 Leuchtmittel zu moderner LED-Technik
    • Einsatz in bestehende Deckenelemente – Farbgleichheit
  • Dämmeinlagen sind gegen recycelbare Dämmmaterialien zu tauschen
  • Gewährleistung: Die Aufbereitung im Werk ist in Bezug auf Produktprüfungen und bauphysikalischen Eigenschaften einem Neuprodukt gleichzusetzen

Fazit: Die Weiternutzung von 20 Jahre alten Lindner-Bandrasterdecken ist vielfach möglich

Die Case Study „ehemaliges Sony Center“ hat gezeigt, dass eine Weiternutzung von gebrauchten, 20 Jahre alten Bandrasterdecken auf verschiedene Wege möglich wäre. Konkret kam von Lindner der Vorschlag, die gebrauchten Deckensysteme für ein neues Projekt zu aktiven Deckensegeln umzubauen. Aus logistischen Gründen und fehlenden, längerfristigen Lagerkapazitäten vor Ort konnte der Vorschlag in diesem Fall noch nicht in die Tat umgesetzt werden.

Um dem in Zukunft entgegenzuwirken, hat Lindner ein eigenes, zirkuläres Geschäftsmodell entwickelt, in dem Systemprodukte entweder für 5 bis 10 Jahre gemietet oder für 10 bis 30 Jahre mit einer Rückgabevereinbarung gekauft werden. Somit kann Lindner selbst für geschlossene Materialkreisläufe in der eigenen Produktion sorgen und somit in Zukunft nicht nur Rohstoffe und Energie, sondern auch erheblich an CO₂ in Produktion, Montage und Nutzung einsparen.

Über das Center am Potsdamer Platz

Im Oktober 2017 erwarb die Oxford Properties Group zusammen mit Madison International Realty den damals „Sony Center am Potsdamer Platz“ genannten Gebäudekomplex. Seit Juli 2022 ist Norges Bank Investment Management mit 50-prozentiger Beteiligung neuer Partner der Oxford Properties Group. Das im Jahr 2000 nach Entwürfen des renommierten Architekten Helmut Jahn erbaute Center ist ein 113.000 m² großer, gemischt genutzter Gebäudekomplex am Potsdamer Platz im Herzen von Berlin. Es erstreckt sich auf fast sechs Hektar und umfasst acht Gebäude, darunter den Bahntower, 85.000 m² Bürofläche, 20.000 m² für Einzelhandel und Freizeit sowie 67 Wohneinheiten. Die moderne Architekturikone ist heute ein Wahrzeichen Berlins und zieht jährlich über sieben Millionen Besucher an. Hauptmieter des Centers sind unter anderem die Deutsche Bahn und WeWork.

Zum 31. März 2023 endete die Kooperation über die Namensrechte mit Sony. Aus diesem Grund trägt das Gebäudeareal ab April 2023 nicht mehr den Namen „Sony Center am Potsdamer Platz“. Bis zur bevorstehenden Umbenennung, die mit der Wiedereröffnung des Centers nach den Baumaßnahmen einhergehen wird, trägt das Gebäude vorübergehend den Namen „Das Center am Potsdamer Platz“.

Über die Lindner Group

Die Lindner Group ist Europas führender Komplettanbieter in den Bereichen Innenausbau, Fassaden, Gebäudetechnik und Isoliertechnik. Das Familienunternehmen verfügt über mehr als 55 Jahre Erfahrung im „Bauen mit neuen Lösungen“, der Entwicklung und Ausführung von individuellen und fortschrittlichen Projektlösungen, die Mehrwert bieten. Mit weltweit gut 7.500 Mitarbeitern betreibt Lindner vom bayerischen Arnstorf aus Produktionsstätten und Tochtergesellschaften in mehr als 20 Ländern.

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